Matthias Jung


 

FeedWind

Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

Arbeiten. Von Lust und Last des Lebens

Predigt am 2. August 2009


Zur Frau sprach Gott: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und zum Mann sprach er: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. (1. Mose 3,16a+19)

 

Liebe Gemeinde,

was tun wir eigentlich so den ganzen lieben langen Tag?! Unter diese Überschrift habe ich die diesjährige Sommerpredigtreihe gestellt und möchte mit Ihnen aus biblischer Sicht über etwas nachdenken, das uns sehr, sehr gut vertraut ist - unsere Arbeit. Das ist so eins dieser Themen, da kann jede und jeder mitreden. Martin Luther meinte, der Mensch sei zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen. Und doch sind es gerade die Aspekte, in die wir ganz und gar verwoben sind, wo uns sehr schwer fällt, mal mit Ruhe drüber nachzudenken - eben weil sie uns so vertraut sind. Dennoch oder gerade deswegen möchte ich es mit Ihnen an diesen drei Sonntag versuchen.

Was fällt Ihnen ein, wenn Sie das Wort "Arbeit" hören? Welche Gedanken, Bilder, Gefühle, Momente? Ihr Job? Stress? Arbeitslosigkeit? Hoffnung auf den Ruhestand? Oder die Tatsache, dass Sie als Rentnerin oder Rentner sich im Unruhestand vorkommen? Vielleicht auch - Freude an der Arbeit? Oder gar - Lust?!

Tatsache ist: Arbeit wird ganz häufig als etwas unangenehmes empfunden, ist oft mit Anstrengung und Widerwillen verbunden. Arbeit muss halt sein. Ich muss arbeiten für meinen Lebensnunterhalt. Und auch andere Arbeiten müssen halt sein: Hausarbeit, angefangen vom Spülen bis zur Steuererklärung, vom Wickeln des Säuglings bis zur Wohnungsauflösung der verstorbenen Tante.

Und unsere biblisch-christliche Tradition hat mit dazu beigetragen, dass von Arbeit eher negativ geredet wird. Das hat viele Gründe, unsere christliche Geschichte ist lang, nur zwei möchte ich nennen.

Ein Grund liegt darin, dass schon die Bibel Arbeit als anstrengend versteht. Mühevolle Arbeit auf dem Acker oder als Handwerker war nötig, um in früheren Zeiten zu überleben. "Maloche", dieses auch heute noch bekannte Wort für anstrengende Arbeit kommt es aus dem jüdischen, malacha bedeutet soviel wie "arbeiten". Nur: zur Zeit der Bibel gab es noch kaum Maschinen und die moderne Technik erst recht nicht. Wetter-Kapriolen konnten Ernten zerstören und bedeuteten Hunger. Heute macht ein Hagelgewitter vielleicht einen Landwirt arm und für ihn ist das tragisch, aber in usnerem Land verhungert deswegen keiner mehr. Arbeit für den Lebensunterhalt ist für ganz viele Menschen körperlich nicht mehr so schwer wie in früheren Zeiten. Die biblische Welt ist längst vergangen, aber die jahrundertelange Auslegung dieser Stellen wirkt bis heute nach.

Zum anderen aber hat diese Stelle aus der Sündenfallgeschichte, die ich eingangs gelesen habe, eine lange und vielleicht sogar verheerende Wirkung gezeigt. Immer wieder wurde die Last der Arbeit mit der Sünde in Verbindung gebracht, und unterschwellig hieß es dann: Was beschwerst du dich als Sünder darüber dass die Arbeit so schwer ist? Du bist doch selber mit dran schuld! Ein positives Verständnis von Arbeit ist so schwer zu erreichen. - Dabei geht es hier im 1. Buch Mose gar nicht um die Arbeit. Sondern um die Sünde. Und gesagt wird: durch die Sünde wird alles schief und verkehrt, der Mensch macht sich und den anderen selber das Leben schwer, auch die Arbeit.

Heute stehen körperliche Anstrengung, unmittelbare Sorge um Essen und Trinken nicht mehr im Vordergrund. Aber mit dem "Arbeit" verbinden sich dennoch auch heute viele Ängste, Lasten und Sorgen. Erwerbslosigkeit für Millionen seit Jahrzehnten. Häufig Löhne, von denen Menschen nicht wirklich leben können. Weniger direkt körperlich anstrengende Arbeit, aber der Druck am Arbeitsplatz macht viele psychisch krank. Und dann das weite Feld von Hausarbeit oder ehrenamtlicher Arbeit. Schätzungen sagen: würde die hier geleistete Arbeit entsprechend einbezogen, würde sich das Bruttosozialprodukt mehr als verdoppeln. Und bei diesen Arbeiten, häufig von Frauen geleistet, mangelt es ganz oft an der Wertschätzung. Sie wird einfach als selbstverständlich angesehen, dann schnell übersehen und es fehlt die nötige Anerkennung, die jeder Arbeit gebührt, von einer Entlohnung für Haus- und Familienarbeit ganz zu schweigen...

Damit sind viele Themen angesprochen, die uns bewegen, wenn wir anfangen, über unsere Arbeit nachzudenken. Einige werden an den nächsten beiden Sonntagen auch noch einmal aufgegriffen. Heute geht verstärkt um die Frage, wie denn Arbeit und Lebensunterhalt zusammenhängen. Und da hilft uns die Geschichte vom Paradies schon weiter. Hier bekommt der Mensch "vor" dem Sündenfall die Aufgabe, den Garten zu bebauen und zu bewahren (Genesis 2,15). Jürgen Ebach, Proffessoer für Altes Testament in Bochum, hat diese Stelle einmal so übersetzt: "Bebaue den Garten, tu das im Einklang mit den Regeln der Natur, eiste die Arbeit, die erforderlich ist, sorge für das Fruchtragen der Bäume - ferner: sichere den Garten und schütze ihn vor dem Verfall, aber - bleibe in dem gegebenen Lebensraum, bewahre seine Grenzen!" (Jürgen Ebach, Zum Thema: Arbeit und Ruhe im Alten Testament. Zeitschrift für evangelische Ethik 1980, S. 13) Ebach nennt dies eine "utopische Erinnerung" und meint damit: hier spricht sich in Vergangenheitsform eine Hoffnung für Gegenwart und Zukunft aus, eine Hoffnung, die nicht illusionär ist, sondern die real werden kann, wenn der Mensch sich an die Regeln hält.

Für die Sorge um den Lebensunterhalt bedeutet das ein doppeltes.

Bebauen und bewahren ist immer gefährdet unter der Herrschaft der Sünde, weil wir Mensch alles und jedes ins Gegenteil verkehren können. Heute ist uns dies recht nahe, wenn wir an Umweltsünden, an verdorbene Lebensmittel und viele andere Dinge denken. Von der Bibel her ist es nun nicht möglich ethisch korrekt zu sagen, wie man sich verhalten sollen - aber die Erinnerung daran, dass unser Tun und Lassen Grenzen hat, deren Überschreitung unseren Lebensunterhalt bedroht, das müssen wir uns immer wieder sagen lassen. Und gemeinsam nach Lösungen und Möglichkeiten suchen, im Kleinen wie im Großen. Nicht alles, was wir tun können, ist gut und richtig. Schon Thomas von Aquin war der Ansicht, dass bei jeder Arbeit zu fragen wäre: ist sie sinnvoll, eine nützlich, hilfreich? Oder zerstört diese oder jene Tätigkeit nicht das, was unserer aller Lebensgrundlagen ausmacht? Und hier, nur als Nebenbemerkung, wird erneut glasklar erkennbar, dass Arbeiten sich keineswegs nur auf den Job bezieht. Arbeiten durchzieht alle unsere Lebensbereiche. Darüber aber an den folgenden Sonntagen mehr.

Bebauen und bewahren - so der Auftrag, so die utopische Erinnerung. Das beinhaltet eine Pflicht, sich um seinen Lebensunterhalt zu kümmern. Beizutragen zum gemeinsamen Leben in unserer Gesellschaft. Aber: das beinhaltet auch ein Recht auf Arbeit. Wenn Arbeit so sehr zum Mennsh gehört, wenn er für seinen Lebensunterhalt arbeiten soll (und die allermeisten wollen es auch), dann folgt daraus auch ein Recht auf Arbeit. Und in unserer westlichen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft, die den Erwerb des Lebensunterhaltes an einen Arbeitsplatz bindet (wenn ich denn nicht als Schülerin oder Schüler in der Schule arbeite oder im ruhestand mich nur noch um meinen Haushalt und ggf. meine Ehrenämter kümmern muss), bedeutet das ein Recht auf Arbeit und einen Arbeitsplatz. An dieser Einsicht kommen wir aus biblisch-christlicher sicht nicht vorbei und von daher ist und bleibt es ein Skandal, dass wir uns Millionen von Arbeitslosen und die sogenannten Arbeitsförderung, landläufig Hartz IV genannt so ausgestalten, dass sie die Betroffenen eher noch mehr in die Ecke stellt und ihnen Sozialleistungen streicht statt echte "Ersatz"-Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Seit vielen Jahren tobt eine Auseinandersetzung um einen zweiten Arbeitsmarkt, wirklich weiter gekommen sind wir nicht, außer dass das Heer der Langzeitarbeitlsosen wächst und wächst. Obwohl Arbeit wahrlich, wahrlich genug da ist... Hier wäre wirklich nötig, umzudenken! (Das gleiche gilt auch für Menschen mit Behinderungen welcher Art auch immer, auch sie haben ein Recht auf Arbeit und es wird ihnen oft verweigert.)

Liebe Gemeinde,

halten wir für heute Morgen fest, dass aus der Paradieserzählung ein Recht auf sinnvolle, hilfreiche, nützliche Arbeit für jeden Menschen erwächst, mit der er zu seinem eigenen Lebensunterhalt beitragen kann und zu dem der anderen, dass diese Arbeit aber sich an den Begrenzungen der Schöpfung zu orientieren hat. Und halten wir wieter fest, dass wir Menschen als Sünder dazu in der Lage, hier alles zu verkehren und falsch zu machen. Nicht als Entschuldigung, um immer weiter machen zu können. Aber als Erinnerung an die Zwiespältigkeiten unseres Lebens und Arbeitens. Und vor allem als Einladung, hier auch die Botschaft des vergebenden Gottes zu hören, der uns auf den Weg der Liebe weist - und die Liebe macht alles richtig, auch in unserer Arbeit!

 

Amen.